Neueröffnung: Café Mio – Anno 1889

Stilles Opening. Freitag, 31. März 2023

Ich stehe vor dem Café „Mio“ auf der Gastromeile. Seit zwei Monaten habe ich auf diesen Tag gewartet. Zehn Jahre lang war ich Stammgast im beliebten Café Corretto. Man könnte sogar sagen, ich war einer der größten Fans. Die Schließung hatte nicht nur bei mir eine gewisse Leere hinterlassen, sondern auf der gesamten Schnabulier-Meile. Mein letzter Artikel dazu (Adieu, Café Corretto) wurde bis dato über siebentausend Mal gelesen. In den letzten Wochen sprachen mich immer öfter Leser an, in der Hoffnung, ich wüsste, wie es weitergeht? Wusste ich leider nicht – bis heute.

Nun stehe ich also hier, vor dem neuen Corretto, dem „Mio anno 1889“. Noch bevor ich eintrete, spüre ich, wie die Gastromeile einen Seufzer der Erleichterung aussendet. Selbst die Gambrinus-Statur scheint ihr gekröntes Haupt heute etwas höher zu tragen. Ein gutes Omen. Und so betritt um 15:21 Uhr, Anno Domini 2023, ein knallharter Corretto-Fan, ein sogenannter Ultra, ein neues Kapitel in der Bottroper Caféhaus-Geschichte. Ich mache Ihnen nichts vor, ich versuche erst gar nicht objektiv zu sein. Kann das gut gehen?

Mio, mein Mio!

Fangen wir mal mit dem Namen an. „Mio“ ist ein leicht zu merkender und geschickt gewählter Name mit einem breiten Spektrum an Interpretation. Als Name bedeutet Mio zum Beispiel liebenswert. Das italienische Possessivpronomen mio hingegen bedeutet: meines, mein. Was die Kundenbindung erleichtert: mein Stammcafé. Mich hat der Name dagegen direkt an das berühmte Kinderbuch von Astrid Lindgren erinnert: „Mio, mein Mio“. Da werden Erinnerungen wach, man denkt an die letzten „Ferien auf Saltkrokan“ und an die Verfilmung von 1987. Mir gefällt der Name. Der Zusatz „Anno 1889“, der auf das Jahr der Erbauung des Hauses hinweist, ist dabei eigentlich nur eine Art Appendix.

Lassen Sie uns eintreten

Die Begrüßung ist herzlich. Ich sehe auch gleich ein halbes Dutzend Bekannte und ehemalige Corretto-Stammgäste, die mir zuwinken. Was sofort ins Auge sticht, die Bedienung hat die Seiten gewechselt. Der Thekenbereich ist nun links und wurde um eine kompakte Küche erweitert, in der ein Küchenchef kleine Gerichte zubereitet. Was ich bisher gesehen habe, sah sehr appetitlich aus. Werde mich mal in den nächsten Wochen durch die Karte futtern.

Dort, wo sich ehemals die Theke befand, wurde die gesamte Wand aufwendig mit Ziegeln aus dem Jahr 1889 restauriert. Tische und die sehr bequemen Stühle sind nun einheitlich. Was dem Interieur auf der rechten Seite eine harmonischere Note verleiht. Vom alten Flair bleibt somit auch einiges erhalten. Die Neonschrift am Ende des Raumes halte ich für überflüssig, aber das ist Geschmackssache.

Der Kaffee ist top

Zu meiner großen Freude ist mein alter Stammplatz erhalten geblieben. Ich pflanze mich direkt auf meinen Lieblingssitz und schaue aus dem Fernster. Paul-Stephan schneit rein und sucht die Mutti? Die muss hier irgendwo sein, hab‘ sie gerade noch gesehen, sitzt da hinten. Familientreffen, wie jeden Freitag, ab jetzt im Mio. Würde meine alte Dame noch im Diesseits wandeln, würde sie vermutlich auch hier sitzen und über mich Witze reißen. Meine Mutter hat Cafébesuche gemocht. Sie saß häufiger direkt gegenüber, im ehemaligen Café Spengler.

Ich bestelle einen Kaffee Crema und ein Stück Schokotorte. Der Kaffee stammt aus der eigenen Röstung und schmeckt ausgezeichnet. Die Schokotorte ist riesig und lecker. Die Torte schafft mich. „Ja, an der Portionierung müsse man noch arbeiten“, meint die nette Bedienung. Überhaupt, für den ersten Tag klappt der Service recht reibungslos, das kennt man auch anders. Chapeau!

Reichhaltiges Frühstück

Nun, man wird mich in Zukunft sicher wieder häufiger an der Gladbecker Straße 23 antreffen. Mir gefällt die Atmosphäre im neuen Café Mio sehr gut. Und eine Tageszeitung soll’s auch wieder geben. Ich mein, ein Caféhaus ohne Zeitung, das geht einfach nicht.

Vielen wird auch gefallen, dass jetzt wieder ein schickes Café mit reichhaltigem Frühstücksangebot vormittags auf der Gastromeile geöffnet hat. Ich kann mir vorstellen, dass sich etliche der alten Stammgäste dort wieder einfinden.

Indes brauche ich noch was zum Kritisieren, sonst denken einige Leser, ich wurde für diesen Artikel bezahlt. Es stimmt zwar, auch ich bin käuflich, aber in diesem Fall habe ich meinen Kaffee wirklich selber bezahlt, ich schwör’ s.

Mein abschließender Kritikpunkt

Die Bänke im Außenbereich sind sehr unbequem und nur Gästen mit starken Bauchmuskeln und einer kräftigen Rückenmuskulatur zu empfehlen. Alternativ dazu gibt es zwar noch sehr bequeme Gartenstühle mit schicken Sitzkissen, diese sind aber in der Minderheit. Bei steigenden Temperaturen wird es hier sicher zu tumultartigen Szenen kommen, weil einfacher jeder in diesen wohlgeformten Sitzmöbeln hocken möchte und nicht auf der Ersatzbank.

So, jetzt sind Sie an der Reihe. Probieren Sie das neue Café/Restaurant „Mio“ auf der Gladbecker Straße 23 einfach mal aus! Vielleicht sehen wir uns ja dort, wenn ich nicht gerade in der italienischen Weinbar gegenüber sitze. Ich bin der stille Beobachter, hinter der Zeitung ;-)

Fotos und Text: Udo Schucker