Bottroper Jugend in den 1970er-Jahren – nostalgischer Filmabend
Volles Haus im Filmforum: Am Samstag, dem 18. Oktober 2025, wurden dort Filmschätze aus Bottrops Vergangenheit gezeigt
Das Stadtarchiv unter der Leitung von Heike Biskup präsentierte gemeinsam mit dem VHS-Kino im „Filmforum“ des Kulturzentrums August Everding einen besonderen „70er-Jahre-Filmabend“. Auf dem Programm standen zwei Spielfilme des Bottroper Drehbuchautors und Filmemachers Udo Schucker – „Große Freiheit Nr. 425“ (1975) und „Der werkenden Jugend – dem wirkenden Volke“ (1977). Unterstützt wurde die Veranstaltung vom Förderverein KONJUNKTUR und Foto Lelgemann.
Die beiden Filme beleuchten eindrücklich die Bottroper Jugendszene der 1970er-Jahre – wild, politisiert und energiegeladen. Heute gelten sie als seltene Zeitdokumente, die den Geist einer ganzen Generation einfangen.
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Der Andrang war groß
Bereits kurz nach der Ankündigung waren alle Plätze vergeben, sodass kurzfristig eine zusätzliche Nachmittagsvorstellung organisiert wurde – auch diese war fast restlos ausverkauft.
Vor dem Kinosaal sorgte Melanie Kurz-Meusel mit einem Glas Sekt für einen stilvollen Empfang. Einige der Gäste blickten bei der Filmvorführung auf ihre eigene Jugend zurück – denn sie hatten einst selbst vor der Kamera gestanden. Unter ihnen etwa Roger Keller und Norbert Rassel, der bei den Dreharbeiten vor 50 Jahren seine Frau kennenlernte und demnächst Goldene Hochzeit feiert.
„Große Freiheit Nr. 425“
„Große Freiheit Nr. 425“ feierte im November 1975 Premiere in der Aula des Jungengymnasiums (heute Kammerkonzertsaal). Nachdem Udo Schucker zuvor vier Kurzfilme gedreht hatte, ist dies sein erster Spielfilm. In der Hauptrolle spielt der international gefeierte Bottroper Künstler Prof. Martin Honert. Die Zahl 425 entsprach damals der Postleitzahl von Bottrop. Der Film thematisiert auf surreale und zugleich dokumentarische Weise die Trostlosigkeit des Alltags in Bottrop.
„Große Freiheit Nr. 425“ wurde mit einer einfachen Super‑8‑Kamera an mehreren Wochenenden auf Bottrops Straßen gedreht. Zwar existierte ein Drehbuch, doch im Grunde konnte jeder mitwirken, der Udo Schucker an einem Freitagabend im „Kolpinghaus“ – damals der studentische Szenetreff – darauf ansprach, bevor samstags und sonntags gedreht wurde. So wollte etwa Hans Stucke einen Anarchisten spielen, Herbert Jakobs wollte Martin Honert verprügeln, Klaus Kosok wollte „Schlappofix“ anpreisen, Rüdiger Balasus wollte einen skurrilen Tod erleiden, und Wolfgang Denninghaus wollte im Gully auf der Hochstraße angeln.
Wider Erwarten funktionierten die Pointen auch heute noch und sorgten nach 50 Jahren erneut für Lacher im Publikum. Aus heutiger Sicht sind insbesondere die dokumentarischen Szenen interessant – etwa eine Demo für das Bottroper Jugendzentrum, die Hochstraße, der Markt, das Hallenbad oder der Partykeller von Norbert Kuhfuß.
Trailer „Der werkenden Jugend – dem wirkenden Volke“ (1977)
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„Der werkenden Jugend – dem wirkenden Volke“
Udo Schuckers dritter Spielfilm ist ein Ensemblefilm. Das Drehbuch schrieb er gemeinsam mit Peter Kapinos, Elke Denda, Siegrid Behrend und Martin Honert, die auch die Hauptrollen spielten. Gedreht wurde der Streifen 1977/78 mit der damals besten verfügbaren Super‑8‑Kamera – und ist im Vergleich zum ersten Spielfilm deutlich professioneller.
Premiere feierte der Film 1978 im Sonderprogramm der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen, wo er seinerzeit gleich dreimal gezeigt wurde. Auch der überregionale Kulturteil der WAZ widmete dem Film damals eine ganze Seite, was zu wichtigen Kontakten in der Filmszene führte.
Gedreht wurde wieder in den Straßen Bottrops, an der Universität Essen, in der Bottroper Szene-Kneipe „Bistro/Piccadilly“ und an der damaligen Fachoberschule der Bottroper Berufsschule. Diese lieferte zugleich das Hauptthema des Films: den zweiten Bildungsweg. Die Macher warfen dabei einen schonungslosen Blick auf den gesellschaftlichen Kontext und die Tristesse der damaligen Bottroper Jugendszene.
Nachdem die SPD 1971 das BAföG eingeführt und damit dem zweiten Bildungsweg alle Türen geöffnet hatte, kam es in den 1970er‑Jahren zu einem regelrechten Bildungsboom. Kollegschulen und Fachoberschulen erlebten einen enormen Zulauf. Einer, der sich in Bottrop besonders für die Fachoberschule engagierte, war Schuldirektor Dr. Dieter Krampe, der das Filmprojekt konspirativ unterstützte.
Die Story dazu finden Sie hier: https://wat-gibbet.de/fachoberschule-bottrop-1977
Auch bei dieser Vorführung im Filmforum war die Resonanz groß – viele Besucherinnen und Besucher sahen sich selbst oder Bekannte in den Szenen wieder. So wurde der Abend nicht nur zu einer nostalgischen Zeitreise, sondern auch zu einem lebendigen Stück Stadtgeschichte.
Lebendige Geschichte: Udo Schucker und die Bottroper Filmkooperative
Der Drehbuchautor und Filmemacher Udo Schucker hat die Bottroper Jugendszene der 1970er‑Jahre in mehreren Spielfilmen thematisiert.
1973 beschloss der damals 15‑jährige Udo Schucker – zu diesem Zeitpunkt noch als Sanitärinstallateur tätig –, Filmemacher zu werden, und gründete die Bottroper Filmkooperative. Diese illustre Truppe stand allen offen, die Lust hatten, mitzumachen.
Schucker, der nach seiner Lehre als Sanitärinstallateur sein Abitur am Westfalen‑Kolleg Dortmund nachholte und in Bochum Theater‑, Film‑ und Fernsehwissenschaften studierte, realisierte von 1974 bis 1984 in Bottrop insgesamt vier Kurzspielfilme und sechs Spielfilme, davon vier gemeinsam mit seinem besten Freund Peter Kapinos. Darüber hinaus schuf er bis heute über 100 weitere Projekte – darunter, gemeinsam mit dem Bottroper Kameramann Ferdinand Fries und der Produzentin Iremlin Sansen, mehrfach ausgezeichnete interaktive Videoprojekte, etwa für den Landschaftsverband Rheinland oder den Arbeitgeberverband Gesamtmetall.
Die letzte Einstellung
Nachdem Udo Schuckers damaliger Lieblingsregisseur François Truffaut im Alter von nur 52 Jahren verstarb – mit dem er kurz zuvor noch korrespondiert hatte, um ein Buch über ihn mit dem Titel „Monsieur Truffaut, sind wir alle Autisten?“ zu schreiben – drehte Udo Schucker 1984 seinen letzten Spielfilm. Es handelte sich um einen Mafiathriller mit dem Titel „Die letzte Einstellung“, der teilweise auf Sizilien gedreht wurde – zu einer Zeit, als dort einer der brutalsten Mafiakriege tobte.
Schucker arbeitete danach als Drehbuchautor und drehte zahlreiche Industrie-, Image- und Werbefilme. Zudem ist er als Autor, Programmierer und Webdesigner tätig sowie Herausgeber des Bottroper Onlinemagazins „wat gibbet“.
„Ich hätte nicht gedacht, dass sich nach 50 Jahren noch so viele Leute für meine Filme interessieren. Jetzt weiß ich: Meine Jugend war nicht gänzlich verplempert.“ – Udo Schucker
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Weitere Infos
- Bottroper Bier mit Mike Krüger (1975): https://wat-gibbet.de/mein-gott-bottrop/
- Kurzspielfilm „Wie immer“ (1982): wat-gibbet.de/kurzspielfilm-wie-immer
- Hintergrundinfos zum Spielfilm „Der werken Jugend – dem wirkenden Volke“, u. a. mit Szenen im Bistro Piccadilly und an der Fachoberschule: wat-gibbet.de/fachoberschule-bottrop-1977
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Am 17. Mai macht die Cargobike Roadshow in Bottrop Halt. © Cargobikeroadshow/Andreas Loercher
Foto: Annette Friedenstein
Foto von Dominik Sutor: Benjamin Eisenberg und hinten von links Many Miketta, Jens Otto, Roland Miosga alias The Pott Boys