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Hoffnung

Auf dem Weg zum Pressetermin …

Pressekonferenz mit Oliver Helmke im Karstadt-Gebäude - Phönix-Galerie

Wenn ich das Death Valley des Bottroper Einzelhandels betrete, die Hansastraße, muss ich immer an einen Satz aus Dantes Göttlicher Komödie denken: „Ihr, die ihr eintretet, lasst alle Hoffnung fahren.“

Kaum eine Menschenseele verirrt sich noch hierher. Die leergefegten Ladenlokale starren dich von beiden Seiten mitleiderregend an. Die Leere wird schnell körperlich spürbar und solidarisiert sich mit deiner eigenen inneren Leere. Es entsteht ein Vakuum, das jedes Leben im Keim erstickt.

Im Zentrum dieser Leere erhebt sich die vom Taubenkot verätzte Fassade des Karstadt-Gebäudes, ein ehemaliger Konsumtempel, emporgewachsen in den Wirtschaftswunderjahren. Ein Monolith vergessener Träume. Ein Denkmal, das uns mit frivoler Grausamkeit an jene Tage erinnert, als die Innenstadt noch mit Leben gefüllt war. Selbst bei grellem Sonnenschein lauert hier die Dunkelheit. Bis jetzt.

Der Hoffnungsträger

Nachdem in den letzten Jahren mehrere Versuche gescheitert sind, das leerstehende Karstadt-Gebäude wiederzubeleben und viele Bottroper die City längst abgehakt haben, keimt nun doch Hoffnung auf. Dem bekannten Bottroper Immobilien­entwickler Oliver Helmke ist es nach einigen Irrungen und Wirrungen endlich gelungen, das marode Gebäude zu erwerben. Darauf hatten viele Bottroper Bürger und Bürgerinnen gehofft. Am Freitag, dem 11. April 2025, lud er zur ersten Pressekonferenz in das alte Karstadt-Gebäude ein, um sein Konzept der breiten Öffentlichkeit vorzustellen.

Oliver Helmke – einer von uns, wie man im Pott so sagt – erschien in einem karierten Peaky Blinders Anzug mit Schiebermütze, ein Outfit, das mittlerweile schon so etwas wie sein Markenzeichen geworden ist. Gewohnt lässig präsentierte er seine Pläne vor den anwesenden Medienmenschen und beantwortete souverän alle Fragen, soweit möglich.

Phoenix-Galerie

Das Projekt und auch der spätere Gebäudekomplex werden den Namen „Phoenix-Galerie“ tragen. Obwohl die Namen Althoff und Karstadt gemeinsam eine 124-jährige Geschichte in dieser Stadt haben, stehen sie nun in erster Linie für den Niedergang und sind nur noch eine melancholische Erinnerung. Unsere ausgelaugte Innenstadt braucht eine Grunderneuerung. Hier ist ein Feuervogel, der sich aus der Asche erhebt – ein passender Name, der auch gleich positive Assoziationen weckt.

Die Stadtverwaltung, 100 Parkplätze, Rossmann und Sinn

Dass Teile der Stadtverwaltung in die Phönix-Galerie einziehen werden, war bereits vor der Pressekonferenz bekannt. Welche Abteilungen das genau sind, wird sich wohl erst nach der Bürgermeisterwahl im September klären. Ohne einen Ankermieter wie die Stadt Bottrop wäre ein solches Projekt nur schwer umsetzbar. Als Nebeneffekt erhofft man sich eine leichte Belebung der Innenstadt durch den Publikumsverkehr während der amtlichen Öffnungszeiten.

Dort, wo sich früher die Warenannahme von Karstadt befand, werden circa 100 Parkplätze zu Verfügung stehen. Von dort wird es auch einen direkten Durchgang in die Galerie geben.

Die Rossmann-Drogerie bleibt bestehen, wird sich eventuell vergrößern. Derzeit wird auch geklärt, ob das Modehaus Sinn die Seiten wechselt.

Die Süd-West-Passage

Karstadt war in früheren Jahren nicht nur ein Kaufhaus, sondern auch ein Ort, durch den man gerne flanierte und oben im Restaurant einen Kaffee trank. Karstadt war ein Durchgang, eine Passage, durch die täglich viele Menschen von der Hansa- zur Hochstraße strömten.

Oliver Helmke hat diese über lange Zeit natürlich gewachsenen Strömungsverhältnisse erkannt und die geplante „Phönix-Passage“ in den Mittelpunkt seiner Galerie-Planungen gestellt. Offen für alle: Hier könnten sich kleinere Geschäfte und Gastronomiebetriebe ansiedeln. Durch die Passage ist ein gewisser Anteil an Laufkundschaft sicher.

Der Bauch von Bottrop

Das Bottroper Warenhaus Althoff bot in den 1950er Jahren eine echte Sensation: die erste Lebensmittelabteilung in einem deutschen Kaufhaus, die im Selbstbedienungssystem funktionierte. Nun, dass der Discounter Netto ins Basement einziehen soll, ist sicher keine Überraschung. Bezieht man den historischen Kontext mit ein, könnte man sogar sagen, das Konzept folgt hier einer gewissen Tradition. Netto wird sich mit einer hochmodernen Ausstattung dort ansiedeln, wo zuvor das Möbelgeschäft war.

Über den Dächern von Bottrop

Die Dachterrasse vom ehemaligen Karstadt-Kaufhaus wurde bereits in frühen Jahren genutzt. Hier befand sich von April bis Oktober die Gartenmöbel- und Campingabteilung. Da die Gartenmöbel genutzt werden konnten, saßen hier oft Leute für einen kleinen Plausch beisammen und wurden zu einem natürlichen Teil der Ausstellung. Ich hab hier als Student in der 1980er Jahren häufiger gejobbt.

Umso mehr freut es mich, dass Oliver Helmke hier einen Dachgarten plant, der auch gastronomisch genutzt werden kann. Ich kann mir gut vorstellen, über den Dächern von Bottrop bei einem Cocktail den Sonnenuntergang zu genießen, die blaue Stunde.

Event-Plaza im Lichthof

Ein besonderes Highlight soll der geplante Lichthof mit seiner Veranstaltungsfläche werden. Hier sollen regelmäßig Events unterschiedlicher Art stattfinden. Oliver Helmke spricht von spektakulären Ideen, die er aber aus dramaturgischen Gründen erst im zweiten Akt präsentieren wird. Und so endete diese erste Pressekonferenz quasi mit einem Cliffhanger, der einen Spannungsbogen zum nächsten Pressegespräch schafft.

Große Erwartungen

In diesen Momenten, in denen die Zeit stillzustehen scheint, genügt schon die Andeutung einer Veränderung, um die Luft mit Erwartung zu füllen. Am Ende waren sich alle einig: Wenn es einer schafft, der Tristesse der Innenstadt einen Tritt zu verpassen, dann Oliver Helmke. Die Hoffnung, die zuletzt gestorben war, konnte reanimiert werden. Oder sagen wir mal so: ein schwacher Pulsschlag, kaum spürbar, aber dennoch da, als würde das Herz der Stadt sich weigern, endgültig zu verstummen.

Bis zum Flug des Phönixes wird es vermutlich noch eineinhalb bis zwei Jahre dauern. Bis dahin bleibt nur das Warten, das Hoffen, das leise Staunen über die Möglichkeit, dass das Leben nach dem Tod in Bottrop doch noch einmal zurückkehren könnte. Wir wollen es glauben, wir müssen es glauben, hör unser kollektives Raunen: Olly, du schaffst das!

Text und Fotos: Udo Schucker

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