Bottrops Ratten – eine Erfolgsgeschichte

In den letzten Tagen geisterte mal wieder ein Beitrag über eine angebliche Bottroper Rattenplage durch Facebook. Ein Post, der wohl primär die Dienstleistungen eines Schädlingsbekämpfers promoten sollte. Ein Werbebeitrag, der mich aber daran erinnerte, dass Bottrop den Ratten doch einiges zu verdanken hat.

Ratatouille-Kausalitäten

Es muss irgendwann zu Beginn der 1970er Jahre gewesen sein, als ein Fernsehbeitrag über die Rattenplage in Bottrop in einem politischen Magazin der ARD ausgestrahlt wurde – ich glaube, es war entweder Monitor oder Panorama. Durch den Bericht geriet die Stadt im Ruhrgebiet deutschlandweit in die Schlagzeilen. Zuvor war Bottrop lediglich als unbedeutender Fleck auf der Landkarte, wurde von vielen außerhalb der Stadtgrenzen höchstens als Vorort von Essen betrachtet – wenn überhaupt. Doch das ändert sich durch den Fernsehbeitrag schlagartig.

Warum ausgerechnet Bottrop seinerzeit in den Fokus eines Fernsehredakteurs geriet? – Wir werden es wohl nicht mehr erfahren. Rattenplagen gab’s schließlich in vielen Großstädten. Die Fernsehredaktion war auch nicht sonderlich an einer objektiven Berichterstattung interessiert. Ein Reißer musste her, der allen Ruhrpott-Klischees entsprach. So wurde für die Interview-Szene nicht der Bottroper Bildungsbürger gesucht, sondern ein Ureinwohner, der die allgemeinen Vorurteile bediente. Diesen fand man schnell im „Zuchthaus Welheim“, wie die Bottroper ihre Zentralwerkstatt liebevoll nannten.

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Solche „Oschis“

Der Welheimer berichtete dann vor laufender Kamera mit feinstem Ruhrpott-Slang von den riesigen Ratten, welche die Bottroper angeblich plagten. Seine auseinander gleitenden Arme signalisierten dabei eine Größe von über einem Meter. Das Team filmte noch ein paar schmuddelige Ecken, die Cutterin montierte einige Ratten aus dem Fernseharchiv dazu und unterlegte das Ganze mit einer dramatischen Sprecherstimme. Voilà, Bottrop hatte sein Image: das Rattennest. Nicht zu verwechseln mit dem Roman von Mickey Spillane.

Bottroper Bier und weniger Ausreiseanträge in der DDR

Selbst in den letzten Winkeln der DDR wurde der TV-Bericht über die Rattenplage in Bottrop mit großem Interesse gesehen. Das führte temporär zu weniger Ausreiseanträgen und dazu, dass das Politbüro der SED beschloss, den Genossen in Bottrop zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Die örtliche DKP nutzte die Gelder geschickt und erreichte bei der Kommunalwahl in Bottrop fast 18 Prozent der Stimmen.

Man munkelt auch, dass eine Theateraufführung in der Schauburg im Jahr der Fernsehausstrahlung schon nach 30 Minuten ausverkauft gewesen sein soll: „Die Ratten“ von Gerhart Hauptmann.

Die Geschichte hinter Tegtmeiers „Bottroper-Bier-Song“.

Zwei, drei Jahre später erinnerte sich ein Fernsehredakteur beim ZDF an das Bottroper Rattennest und beschloss, in unserer hübsch-hässlichen Stadt einen Film mit Mike Krüger in der Hauptrolle für das ZDF-Satiremagazin „Express“ zu drehen. Für diesen Satirebeitrag wurde dann mit Jürgen von Manger der Song „Bottroper Bier“ aufgenommen. Alle Infos dazu finden Sie in meinem Beitrag: „Mein Gott, Bottrop“.

Ohne die Rattenplage der 70er Jahre würde es unser Bottroper Bier vermutlich gar nicht geben. Aber genug Chaostheorie für heute, sonst wird der Beitrag wieder zu lang und mein Redaktionskollege Jens meckert dann wieder.

Ratten haben ihren schlechten Ruf zu Unrecht

Die putzigen Nager sind sehr sozial, intelligent, empathisch, haben viel Freude am Spielen und besitzen sogar ein „episches“ Gedächtnis. Gut, werden sie bedroht, können sie auch schon mal beißen, aber wer tut das nicht.

Dass die Ratte zur Plage wird, liegt am Menschen und seinem Verhalten. Wenn Müll nicht ordnungsgemäß entsorgt wird oder Essensreste auf der Straße verstreut werden, ist das für die geselligen Nagetiere geradezu eine Einladung, sich zu vermehren. Möglichkeiten, eine übermäßige Rattenpopulation zu verhindern, gibt es sicher einige. Man muss es nur umsetzen. Also, keine Panik  ;-)

Udo Schucker