O Tannenbaum
Der »Manchurian Kandidat«. Absurdes Theater mit VLADIMIR und ESTRAGON
VLADIMIR und ESTRAGON sitzen auf den Stufen vor dem Eingang der mittlerweile geschlossenen „Rathausschänke“ und warten auf Godot. Es ist Mitte Oktober, auf dem Rathausplatz verkündet eine frisch gefällte 14 Meter hohe Tanne aus dem Sauerland, dass es auf Weihnachten zugeht. VLADIMIR liest in der WAZ. ESTRAGON bestaunt den Nadelbaum.
ESTRAGON (schaut zur Tanne)
Es geht auf Weihnachten zu.
VLADIMIR (in die Zeitung blickend)
Geht es das nicht immer?
ESTRAGON (singt)
O Tannenbaum, o Tannenbaum! Wie grün sind deine Blätter.
VLADIMIR (in die Zeitung blickend)
Nadeln – ein Tannenbaum hat keine Blätter.
ESTRAGON
Hat er doch, die sehen nur aus wie Nadeln.
VLADIMIR (in die Zeitung blickend)
Ja, ja, von mir aus.
Ein KRATZEN an der Eingangstür aus dem Inneren der Rathausschänke weckt plötzlich Estragons Aufmerksamkeit.
ESTRAGON (lauscht)
Hör mal, kratzt da jemand an der Tür?
VLADIMIR (senkt die Zeitung, lauscht)
Ratten.
ESTRAGON
Nee, die haben das Schiff schon verlassen.*
VLADIMIR (wieder in die Zeitung blickend)
Vielleicht der Geist von Artur K. Führer? Der hat hier früher immer seinen „Literarischen Frühschoppen“ präsentiert. Tolle Autorenlesungen, mit Max von der Grün und so.
ESTRAGON
Vielleicht spürt der Geist vom Führer ja, dass wir literarische Figuren sind und will Kontakt aufnehmen?
VLADIMIR (in die Zeitung blickend)
Klar, für einen ektoplasmatischen Literatur-Frühschoppen.
ESTRAGON
Die Geister, die ich rief. – Wat sagt die Watz?
VLADIMIR (in die Zeitung blickend)
Die üblichen Gefälligkeitsartikel. Gibt einen neuen Tattooladen auf der Essener Straße.
ESTRAGON (seufzt)
Weißt du, was ich an Taylor Swift so mag?
VLADIMIR (in die Zeitung blickend)
Ihre ESCADA Handtaschen?
ESTRAGON
Keine sichtbaren Tattoos, die Swift.
VLADIMIR (in die Zeitung blickend)
Stimmt. Tattoos sind out.
ESTRAGON
Und watz gibbet sonst noch?
VLADIMIR (in die Zeitung blickend)
Buschi wurde von der SPD jetzt als Kandidat für die Oberbürgermeisterwahl bestätigt.
ESTRAGON
Hat Buschi nicht letztens noch „Metzchen“ bei den BOTTcast-Boys gemacht? Und dort ein „Hohelied“ aufs deutsche Beamtentum gesungen?
VLADIMIR (senkt die Zeitung, blickt zu Estragon)
Hat er! Erstklassige Lobbyarbeit für den Beamtenbund.
ESTRAGON
Is‘ auch irgendwie zu jung für so ’ne alte Stadt, der Buschi, oder? Wat macht denn der „Manchurian Kandidat“ vom Schravinski und seinen Korrekten?
VLADIMIR
Suche läuft. Der Schravinski hat gerade Stress mit diesem Medien-Anwalt Joachim Steinhöfel und seinem Buch „Die digitale Bevormundung“. Der schreibt da wohl über die Geldströme und Immobiliengeschäfte vom Schravinski und den Korrekten.
ESTRAGON
Unangenehm. Ist aber auch nicht ohne, der Steinhöfel. Ist denn da was unkorrekt?
VLADIMIR
Steinhöfel hat in seinem Buch irrtümlich behauptet, die Frau vom Schravinski sei eine gebürtige Bottroperin. Ist sie aber nicht. Daraufhin hat die Frau vom Schravinski geklagt. Wollte das Buch verbieten und diesen Makel nicht an sich haften lassen.
ESTRAGON
Was is’ so schlimm an Born in Bottrop?
VLADIMIR
Na, du würdest dich doch auch nicht freiwillig als Bottroper bezeichnen, oder?
VLADIMIR
Nein. Ich bin ein Pariser.
VLADIMIR
Genau. Wir haben dort im Jahre 1953 die literarische Welt betreten. Hätten wir hingegen in Bottrop das Licht der literarischen Welt erblickt, hätte uns vermutlich nur ein Literaturkenner wie „Biby“ Wintjes entdeckt, doch am Ende wären wir im „Ulcus Molle*“ verreckt.
ESTRAGON
Hast recht. – Und, wird’s da jetzt wieder eine szenische Lesung geben, wie bei dieser Hysterie mit der „Remigration“? Vielleicht im Theater Oberhausen, mit Gerburg Jahnke als Frau Schravinski?
VLADIMIR
Nein. Frau Schravinski hat letztendlich gewonnen. In der Neuauflage des Buches wurde die gebürtige Bottroperin korrigiert.
ESTRAGON
Wie kam der Steinhöfel auf die Idee, dass sie eine gebürtige Bottroperin sei?
VLADIMIR
Stand angeblich in ’nem Artikel der Watz.
ESTRAGON
Ich sag’ ja, glaubt nicht alles, was in der Zeitung steht.
Vladimir schwenkt die WAZ wieder vor sein Gesicht und liest weiter.
*„Ulcus Molle“ war eine von 1969 bis 1990 von Josef „Biby“ Wintjes (1947-1995) im Rahmen seines „Literarischen Informationszentrums“ herausgegebene Bottroper Literaturzeitschrift.
*Lesen Sie auch unsere Erfolgsgeschichte über Bottrops Ratten: https://wat-gibbet.de/bottrop-ratten/
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