»New York vs. Donald Trump« – rette ihn, wer kann!

Von Claudia Roosen, 03.05.2024, 09:37, Lesedauer: 7 Minuten

Die Stadt, die niemals schlief, versus Donald Trump, dem schon in der Vorverhandlung die Augen zufielen: Möglicherweise war es auch einfach nur ein Kulturschock für ihn. Statt des opulenten Ambientes seines Luxusanwesen Mar-a-Lago, ist es nur ein kalter, alter Gerichtssaal, der ihn täglich erwartet – jenseits seiner Scheinwelt, ganz ohne vertraute „Yes“-Men oder MAGA-Fans, die sonst Fähnchen schwenken. Trotz beschwörender Worte auf seinem Kanal „Truth Social“ hatte sich bei den Eröffnungs- Plädoyers nur ein überschaubares Grüppchen rot verkappter Wutbürger vor dem Gerichtsgebäude versammelt: New York ist eben auch die Stadt, die bei Bidens Sieg auf den Straßen tanzte. Aber eins nach dem anderen …

Die Staatsanwälte im Strafprozess gegen Donald Trump in New York nutzten ihre Eröffnungserklärung, um eine kühne – und potenziell riskante – These darzulegen: „Trump hat eine kriminelle Verschwörung orchestriert, um die Präsidentschaftswahl 2016 zu manipulieren.“ Warum das wichtig ist: Der Bezirksstaatsanwalt von Manhattan, Alvin Bragg, möchte, dass sein Fall – der weithin als die schwächste der vier Anklagen gegen Trump gilt – über den Rahmen eines schmutzigen alten Sexskandals hinaus betrachtet wird. „Dies war eine geplante und koordinierte Verschwörung, um die Präsidentschaftswahl 2016 zugunsten Donald Trumps zu beeinflussen, mittels illegaler Ausgaben“, argumentierte der Staatsanwalt Matthew Colangelo. „Spoiler-Alarm:“, kontert Trumps Anwalt Todd Blanche. „Es ist nichts falsch daran, die Wahl zu beeinflussen. Das nennt man Demokratie.“

Diese gegensätzlichen Erzählungen werden die Darbietungen beider Seiten beeinflussen, während eine Jury aus 12 New Yorkern darüber entscheidet, ob ein ehemaliger Präsident zum ersten Mal in der Geschichte der USA verurteilt wird. Denn für die Anklage dient der angebliche Komplott, Schweigegeld zu zahlen, dem alleinigen Zweck die negative Berichterstattung zu vertuschen: „Es war Wahlbetrug, ganz einfach.“

Für die Verteidigung sind die 34 Anklagepunkte gegen Trump wegen Fälschung von Geschäftsunterlagen „nur 34 Stück Papier“ – ein simpler Streit über „Buchführung.“ Die Anklage behauptet, dass Trump, sein ehemaliger Anwalt Michael Cohen und der Boulevardverleger David Pecker im Jahr 2016 einen Komplott ausgeheckt haben, um Gerüchte zu ersticken, die Trumps Image im Wahlkampf hätten schaden können. Dazu gehören angebliche Affären mit der Porno-Darstellerin Stormy Daniels sowie Karen McDougal, vormals ein Playboy-Modell. Eine weitere Veröffentlichung über eheliche Untreue hätte sich nach dem ‚Access Hollywood‘-Tape mutmaßlich verheerend auf den Wahlkampf ausgewirkt.

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Dabei bezieht sich Colangelo auf die Aufnahme von 2005, in der Trump damit prahlt, Frauen ohne ihre Zustimmung zu belästigen. Trumps Anwalt teilt im Gegenzug wiederholt gegen Cohen und Daniels aus, die als Zeugen der Anklage erwartet werden, mit dem Ziel ihre Glaubwürdigkeit in Frage zu stellen: „Michael Cohen wollte einen Job in Trumps Regierung, ging jedoch leer aus“, postulierte Blanche und nannte Trumps früheren „Fixer“ einen „Kriminellen“, der „besessen“ davon sei, Trump ins Gefängnis zu bringen. „Daniels witterte ihre Chance, an Trump viel Geld zu verdienen, 130.000 Dollar“, diskreditiert Blanche die ehemalige Pornodarstellerin: Ihre Aussage werde zwar „sittenwidrig“ sein, jedoch irrelevant für die Anklage.

Anders als bei seinen Fällen in Georgia und D.C. wurde Trump in New York nicht wegen Verbrechen im Zusammenhang mit Wahlbeeinflussung angeklagt. Bragg besteht darauf, dass dies nicht notwendig sei, um die „Vertuschung“ zu verfolgen, aber die Eröffnungserklärungen machten eines klar: Eine Verurteilung erfordert, dass die Jury glaubt, dass Trump bereit war, sich seinen Weg Wahlsieg 2016 mit Lügen zu ergaunern. Für Trump, der weiterhin behauptet, dass seine rechtlichen Probleme „Wahlbeeinflussung“ durch die Demokraten darstellen, ist das Argument, dass er Wahlbetrug begangen hat, um das Weiße Haus zu gewinnen, der ultimative Schlag ins Gesicht.

Niemand würde sich freiwillig dort aufhalten: Der Gerichtssaal ist schmuddelig, schäbig, in vernachlässigtem Zustand. Es riecht nach alter Suppe und schalem Atem. Ein krasses Kontrast-Programm, den früheren Präsidenten – als jemand, der zeitlebens sein Luxus-Label verkörpern wollte – in nüchterner und zugleich angespannter Amtsatmosphäre zu erleben. Dafür steht das hohe Polizeiaufgebot im Saal, und Monitore, die alles gnadenlos abbilden, ganz ohne Weichzeichner. Auch Trump zwischen den Verhandlungen: müde, machtlos und wütend. Kaviar für seine Feinde: Der Ehemann und Vater, als den ihn die Verteidigung vorstellt, erscheint meistens allein. Ohnehin scheint er mehr an der Anzahl der Claqueure als an der Anwesenheit seiner Familie interessiert zu sein.

Auch der Ex-Verleger der Boulevardzeitung »National Enquirer«, David Pecker, trat bereits zum zweiten Mal vor der Grand Jury in New York auf. Bei den Schweigegeldzahlungen an Pornostar Stormy Daniels hat er zeitweise mit Trumps Anwalt zusammengearbeitet. Er erweist sich als guter Zeuge, nimmt kein Blatt vor den Mund, berichtet freimütig, fast fröhlich über den unethischen Scheckbuch-Journalismus, den sein Blatt betreibt. Schont sich auch selbst nicht dabei, ermutigt durch die ihm zugesagte Straffreiheit. Erklärt den „Catch and Kill“-Deal: Wenn Trump ihm die geforderten 30.000 Dollar zahlte, hatte er eben auch das volle Recht auf Exklusivität. Ein Freundschaftsdienst: Veröffentlicht hätte die Enthüllungsstory wahrscheinlich den größten Umsatz seit dem Tod von Elvis Presley gehabt.

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„Was haben wir getan?“

Ein weiteres schlagkräftiges Beweisstück: eine SMS aus dem Jahr 2016, die von Stormy Daniels Anwalt Keith Davidson an Dylan Howard geschickt wurde, der damals der Chefredakteur des Tabloids National Enquirer war. „Was haben wir getan?“ fragte Davidson Howard, als die Ergebnisse in der Wahlnacht eintrafen. Howards Antwort lautete: „Oh mein Gott.“ Die beiden Männer hatten über mögliche Deals für Daniels und McDougal gesprochen. In seiner Zeugenaussage definierte Davidson die Tonalität der Textnachrichten am Wahltag als „Galgenhumor“: „Es gab ein Verständnis dafür, dass unsere … Aktivitäten möglicherweise zur Wahlkampagne von Donald Trump beigetragen haben könnten.“

Juristisch gesehen ist das wichtig. Denn die Straftat, mit der Trump angeklagt ist, wird lediglich als Ordnungswidrigkeit eingestuft, es sei denn, sie wurde begangen, um eine andere Straftat zu fördern. Davidsons Aussage unterstützt das Argument der Anklage, dass die Deals darauf abzielten, Trump bei der Präsidentschaftswahl 2016 zu helfen, nicht nur, um ihm persönliche Peinlichkeiten zu ersparen. Der Richter prüft indessen weitere Verstöße gegen die „Maulkorb“-Verordnung, die unterbinden soll, dass er Jury und Zeugen einschüchtert.

Step by Step dringen weitere Details ans Licht: Ein Tonband Mitschnitt, der Zahlungen an das Playboy-Modell Karen McDougal impliziert. Eine Spenden-E-Mail von Trumps Kampagne, die ebenfalls gegen Auflagen verstoßen hat. Der ehemalige Präsident wird zudem in den Anklagen gegen 18 Republikaner im Zusammenhang mit einem kriminellen Komplott in Arizona zugunsten seiner Wiederwahl als nicht angeklagter Mitverschwörer genannt. Ihnen zufolge versuchten seine Verbündeten, die Wahlmännerstimmen des Staates für Trump zu sichern, obwohl diese rechtmäßig an Joe Biden gingen.

Auch andere Charaktere sind vorgeladen: wie Trumps ehemalige Vertraute Hope Hicks, die einen tiefen Einblick in die Kommandokette von Trump World gibt und während der Befragung in Tränen ausbricht. Mit Spannung erwartet: Michael Cohen, ein Kronzeuge im Prozess, der gegen Trump aussagen wird, während zugleich Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit bestehen. Auch Keith Davidson gerät zunehmend unter Druck und wird nun als möglicher Erpresser dargestellt. Ex-Verleger David Pecker sagt zum zweiten Mal aus. Es gibt Nachfragen und Klärungsbedarf: Das Zeugen-Karussell dreht sich.

Wird Trump vielleicht sogar selbst den Zeugenstand betreten? „Ich darf nicht aussagen, weil dieser Richter, der völlig befangen ist, mich unter eine verfassungswidrige Gag-Order gestellt hat“, behauptet er nun, obwohl diese ihn nur daran hindert, verbotene Kommentare an Zeugen, Jurymitglieder und Anwälte im Fall zu richten. Wird es der Anklage gelingen, die Fäden zusammenzuführen und eine kohärente Story zu erzählen? Eine, die die Jury davon überzeugt, dass eine kriminelle Absicht besteht? Wie weit wird Trump zur Verfolgung seiner radikal konservativen Agenda gehen? Das wird man sehen.

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