Die »Blumengroup« spielte in der Kulturkirche
Und erinnerte mit ihrem melodischen Sound der 1960er Jahre die zahlreichen Konzertbesucher an den Sommer der Liebe
Flower-Power für die müden Knochen. Am Sonntag, dem 13. April 2025, spielte im Rahmen der Eventreihe „Sounds of Sunday“ die „Blumengroup“ in der Kulturkirche Heilig Kreuz. Als die Gruppe den Song „If You’re Going to San Francisco“ anstimmte, riss es die Althippies, die zu einem Sit-in bei Kaffee und Kuchen erschienen waren, förmlich von den Stühlen ;-)
Der Sommer der Liebe – ein kurzer Exkurs
Vor ein paar Tagen erschien mir Albert Einstein im Traum und verkündete, dass ich eine vierwöchige Zeitreise in die Vergangenheit gewonnen hätte. Zeit und Ziel könnte ich frei wählen. Im ersten Moment überlegte ich, ob ich so vielleicht ein Rätsel der Geschichte lösen könnte – zum Beispiel, ob Shakespeare tatsächlich „Romeo und Julia“ geschrieben hat. Doch schnell wurde mir klar, dass so eine Zeitreise mit gewissen Unannehmlichkeiten verbunden wäre. Ich müsste beispielsweise vier Wochen auf die Erfindung des Wasserklosetts verzichten. Das kam für mich gar nicht infrage. Also zog ich nur eine Reise in die jüngere Vergangenheit in Betracht.
Ich wollte Spaß haben, Party machen. Und so entschied ich mich für April 1967, Haight-Ashbury in San Francisco. Kaum hatte ich mein Zeitreiseziel ausgesprochen, wechselte auch schon die Kulisse. Ich fand mich auf dem „Hippie Hill“ wieder, einer kleinen Anhöhe im östlichen Golden Gate Park (nahe der Kreuzung Stanyan & Kezar Drive). Der Hügel war ein zentraler Versammlungsort während des Sommers der Liebe. Seine Nähe zu Haight-Ashbury machte ihn zum Symbol der Gegenkultur, wo Tausende für freie Musik, LSD-Konsum und politische Utopien zusammenkamen.
Es war ein milder Frühlingstag, überdeckt von einem azurblauen Himmel. Die Luft roch nach Patchouli und naiver Hoffnung. Der Hügel war mit Blumenkindern übersät, und ich war mittendrin. Ein Mädchen mit zerzausten Haaren lächelte mich an, als wüsste sie etwas, was ich nicht wusste. Vielleicht wusste sie es wirklich. Vielleicht war es nur der Hauch von etwas, das längst vorbei war, noch bevor es richtig begann.
„Mama“ Cass Elliot
Neben mir hockte „Mama“ Cass Elliot auf dem Rasen, die legendäre Sängerin von den „Mamas & the Papas“. „Mama“ zog an einem Joint und sang leise vor sich hin: „You know who I am. You’ve stared at the sun. Well, I am the one who loves. Changing from nothing to one.“
Komisch, irgendwie erinnerte mich „Mama“ Cass an Ricarda Lang von den Grünen. Ricarda reichte mir den Joint: „Mal ziehen?“
Na klar. Ich inhalierte tief und musste erst einmal husten. „Mama“ klopfte mir kräftig auf den Rücken.
„Ich will zu der Grateful-Dead-Party. Weißt du, wo deren Haus sich befindet?“
„710 Ashbury Street. Ist nicht weit vom Park entfernt“, antwortete „Mama“ Cass und wies mir die Richtung.
Ich machte mich auf den Weg durch die überfüllten Straßen von San Francisco. Ab Frühjahr 1967 strömten bis zu 100.000 junge Menschen nach Haight-Ashbury, angezogen von kostenlosen Konzerten (u.a. Grateful Dead, Jefferson Airplane), der „freien Liebe“ und psychedelischen Experimenten. Initiativen wie die Diggers etablierten einen kostenlosen Laden und eine Free Clinic, um die Grundbedürfnisse der Neuankömmlinge zu decken. Der „Council for the Summer of Love“ koordinierte Wohnraum und sanitäre Einrichtungen.
Ashbury Street
Auf der Ashbury Street mit ihren pittoresken viktorianischen Häusern tummelten sich zahlreiche Hippies, die meisten von ihnen ziemlich zugedröhnt. Ich hatte plötzlich das Gefühl, beim ersten Zombie-Walk der Geschichte dabei zu sein.
710 Ashbury Street: Die Grateful Dead waren nicht nur Bewohner des Viertels, sondern auch musikalische Ikonen des Sommers der Liebe. Ihr Haus wurde zu einem Symbol der Hippie-Ära und war Schauplatz zahlreicher Partys und künstlerischer Aktivitäten.
Es war Sonntagnachmittag, und die Party war in vollem Gange. Ich freute mich darauf, vier Wochen mit den Ikonen der Hippiebewegung abzufeiern – und natürlich auf die „freie Liebe“. Ich war der Easy Rider ;-).
Doch dann schrillte mein Telefon und riss mich brutal aus meinem Traum. Meine Jugend war genauso schnell verflogen wie die Illusion von „Love and Peace“ am Ende jenes Sommers 1967.
Dirk Helmke war am Telefon: „Kannst du wat über die Blumengroup schreiben? Die spielen am Sonntag in der Kirche im Rahmen unserer Reihe ‚Sounds of Sunday‘ und brauchen ein paar nette Worte.“
„Okay“.
California dreamin‘
Lust auf eine kleine Zeitreise in die Hippie-Ära am Sonntagnachmittag? Auf den Spirit und Sound der Blumenkinder-Bewegung? Auf drei Stunden „Love and Peace“, bevor Strack-Zimmermann im Sonntagabend-Talk wieder die „Hunde des Krieges“ beschwört? Lust auf die Blumengroup in ihrer Originalbesetzung?
Am Sonntag folgten zahlreiche Fans diesem Aufruf und erlebten ein tolles Konzert. Jeder Titel wurde mit frenetischem Beifall belohnt. Viele Konzertbesucher sangen die bekannten Songs mit, schunkelten und begannen spontan zu tanzen. Das Konzept der im Februar gestarteten Tanz- und Konzertreihe „Sounds of Sunday“ kommt bei den Leuten sehr gut an. Die Kuchenbleche waren übrigens bereits nach 30 Minuten leer gegessen.
Die bekannte Bottroper Band trat nach einer längeren Konzertpause fast in ihrer Originalbesetzung auf:
Thomas Blankenstein – Gesang, Gitarre
Dominik Maischak – Gitarre, Gesang
Anika Geißler – Piano, Querflöte, Gesang
Klaus Tintelott – Bass
Norbert Czechaczek – Schlagzeug, Piano, Akkordeon, Gesang
Kurze Kritik
Die Auswahl der Songtitel wirkte zu beliebig. Der soziokulturelle Kontext der Flower-Power-Bewegung wurde völlig außer Acht gelassen. Meiner Meinung nach wurden zu viele Beatles-Songs gespielt, obwohl die Beatles mit der Flower-Power-Bewegung von 1967 nichts zu tun hatten. Hier hätte ich mir mehr Authentizität gewünscht, etwa durch Songs von Bands, die 1967 tatsächlich im Golden Gate Park auftraten oder beim legendären Monterey Pop Festival im Juni 1967 spielten. Das hätte den Nachmittag sicher zu einem besonderen Ereignis gemacht. Dank der Professionalität der Gruppe und der wirklich großartigen Stimme des Sängers war es dennoch ein sehr unterhaltsamer Sonntagnachmittag, der Jugenderinnerungen hervorlockte und das Publikum begeisterte.
Text und Fotos: Udo Schucker
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