Tattoo-Kunstausstellung »Glaube, Liebe, Hoffnung«

Am Samstag, dem 22. Juli, startet in der Kulturkirche »Heilig Kreuz« eine der interessantesten und vielleicht sogar umstrittensten Ausstellung des Jahres. Unter dem Titel „Glaube, Liebe, Hoffnung“ werden an die einhundert Bildwerke von Tätowierer*innen gezeigt. Eingebunden in einem spannenden Rahmenprogramm, wird den Besuchern bis zum 12. August die Frage gestellt, sind Tätowierungen Kunst?

Der illustrierte Mann

Ich sag’s Ihnen gleich, ich mag keine Tätowierungen. Als ich vierzehn Jahre alt war, habe ich Ray Bradburys Roman „Der illustrierte Mann“ gelesen. Dabei geht es um einen Mann, dessen Körper mit Tätowierungen bedeckt ist. Nachts beginnen die Körperbilder zu leben und erzählen dem Betrachter Geschichten von möglichen Zukunftswelten.

„Jede Tätowierung enthält eine kleine Geschichte. Wenn man sie beobachtet, erzählen sie einem in wenigen Minuten ihre Geschichte. Alles ist da und wartet nur darauf, dass Sie zusehen.“ (Zitat aus Der Illustrierte Mann).

Ich hatte nach der Lektüre Albträume. Habe von lebendigen Tätowierungen geträumt, die mir die Zukunft prophezeiten, Dystopien. Nun, bis in die 1980er Jahre war das Tätowieren kein Thema in unserer westlichen Gesellschaft, und in den meisten Fällen reduziert auf Seeleute und Knastrologen.

En Vogue

Doch dann kam die Wende. Tätowierungen waren plötzlich in Mode. Ich weiß noch, als mir dies das erste Mal bewusst wurde. Ich stand mit Hans-Jürgen Bäumler in der Kantine von „Westfilm“, in Essen. Bäumler produzierte dort irgendeine Spielshow für RTL. Ich schnitt einen Industriefilm. Eine Aufnahmeleiterin kam vorbei und präsentierte uns voller Stolz ihr Tattoo am Fußknöchel. „Wie lange hält sich so ein Bild“, wollte ich wissen. „Immer, ist kein Abziehbild, ist ein echtes Tattoo“, antwortete die Aufnahmeleiterin voller Begeisterung. Ich war entsetzt, sie war jetzt für immer gezeichnet. Und ich musste wieder an den „illustrierten Mann“ denken.

Tätowieren als Kunstform

Tätowierungen sind kein neues Phänomen, eine der ältesten Tätowierungen fand man auf der Gletschermumie »Ötzi«. Ihn schmücken 61 Motive. Tätowierungen sind seit Jahrhunderten ein fester Bestandteil verschiedener Kulturen auf der ganzen Welt. Was einst als Ritual begann, hat sich zu einer weit verbreiteten Form des Selbstausdrucks entwickelt. Während einige Tätowierungen lediglich als modische Statements betrachtet werden, stellen andere eine Form der persönlichen Kunst dar. Doch wie definiert man Kunst und ist Tätowieren wirklich Kunst?

Kunst als Ausdruck: Kunst wird oft als Ausdruck von Kreativität, Emotionen und individuellem Stil betrachtet. Tätowierungen erfüllen diese Kriterien auf vielfältige Weise. Tätowierungen können Geschichten erzählen, Emotionen symbolisieren oder als Hommage dienen. Die künstlerische Komponente besteht darin, dass ein Tattoo-Künstler ästhetische Prinzipien berücksichtigt und seine individuelle kreative Vision in das Design einfließen lässt.

Tätowieren als handwerkliche Kunst: Tätowierungen erfordern Geschicklichkeit, Präzision und künstlerisches Talent. Ein professioneller Tattoo-Künstler muss sowohl über Kenntnisse der Anatomie als auch über verschiedene Techniken des Tätowierens verfügen. Die Auswahl und das Mischen von Farben, das Schattieren, Linienzeichnungen und das Arbeiten mit verschiedenen Nadelkonfigurationen erfordern handwerkliches Können. Darüber hinaus entwickeln viele Tätowierer im Laufe ihrer Karriere einen einzigartigen Stil und eine individuelle Handschrift, die ihre Werke unverwechselbar machen.

Fazit: Die Frage, ob Tätowieren Kunst ist, bleibt letztlich eine subjektive Einschätzung. Für manche Menschen sind Tätowierungen reine Dekoration oder Ausdruck einer persönlichen Botschaft, während sie für andere eine bedeutsame Form der künstlerischen Selbstentfaltung darstellen. Fest steht, dass das Tätowieren handwerkliches Geschick, kreative Gestaltung und individuellen Ausdruck vereint. Es schafft eine Brücke zwischen Kunst und Körper.

Egal, ob Sie Tätowierungen mögen oder nicht, diese spannende Ausstellung in der Kulturkirche sollten Sie auf keinen Fall verpassen, allen Vorurteilen zum Trotz. Und für Tätowier-Fans ist dieser Event mit dem interessanten Rahmenprogramm sowieso ein Muss. Und wer weiß, vielleicht begegnet Ihnen ja auch der illustrierte Mann und zeigt Ihnen die Zukunft.

Udo Schucker

Termine

Glaube, Liebe, Hoffnung – Eine Veranstaltung des Tätowierkunst e.V.

Vernissage: Samstag, 22.07.2023

  • 14:00 Uhr: Beginn
  • 14:30 Uhr: Eröffnungsrede
  • 15:00 Uhr: Christliches Tätowieren in Loreto. In einem Multimedialen Vortrag berichtet Jakob Kerschbaumer aus Wien über Jonatal Carducci, der die Jahrhunderte alte Tradition der Pilgertätowierung in der italienischen Pilgerstätte Loreto am Leben erhält.
  • 17:00 Uhr: Live-Musik „Schleuderhonig“, Psychfreerockadelic Jazzfolk, Ende offen.

Für das leibliche Wohl sorgt ein Food-Track.

Sonntag, 23.07.2023, 14 bis 18 Uhr

Malen mit Kindern – Eine Veranstaltung des Tätowierkunst e.V.

Kriegswirren in seiner Heimat, dem ehemaligen Jugoslawien, führten Goran Lazec zu Beginn der neunziger Jahre ins Ruhrgebiet, was seitdem sein Lebensmittelpunkt ist. Der inzwischen zweifache Vater und Ausnahmekünstler erlernte in Marl das Tätowieren. In seinem Malkurs wird er ihren Kindern mit seiner Herzlichen Art ein unvergessliches Erlebnis bereiten, dessen Ergebnis alle Teilnehmer am Ende stolz mitnehmen werden. Für Kinder ab 5 Jahre geeignet. Begrenzt auf 30 Teilnehmer. Anmeldung erforderlich! Eintritt: frei! Anmeldung:

Sonntag, 6. August, 14 bis 18 Uhr

Kostenlose Organspende-Tattoos – GLH-Flash-Day

Tattoos von Ron Raida (Zeitgeist Tattoo Bottrop). Mit diesem Tattoo zeigen Sie, dass Sie Organspender sind!

Finissage am 12.08.2023 (ab 14:00)

Weitere Termine und das komplette Programm finden Sie im Flyer „Glaube, Liebe, Hoffnung“ (PDF)

Mit freundlicher Unterstützung der Vereinten Volksbank eG und der Kulturkirche Heilig Kreuz e. V.

Kulturkirche Heilig Kreuz
Scharnhölzstr. 33
46236 Bottrop
https://kulturkirche-heiligkreuz.de/