Bosnia and Herzegovina Looks Around Film Festival Bottrop

Zum sechsten Mal fand in der Zeit vom 27. bis zum 29. Oktober das renommierte „Bosnia and Herzegovina Looks Around Film Festival“ in unserer kleinen Großstadt mit regionalen und internationalen Gästen, sowie Filmschaffenden aus unterschiedlichen Ländern statt. Austragungsort war diesmal das Filmforum der VHS Bottrop an der Blumenstraße.

Highlight in der Bottroper Kulturszene

Für mich gehört das Filmfest „Bosnia and Herzegovina Looks Around“ mittlerweile zu den jährlichen Highlights in der Bottroper Kulturszene. Ich hatte zweimal das Vergnügen, als Jury-Mitglied am Festival teilzunehmen. Und beide Male hat mich die Qualität der meisten Filmbeiträge positiv überrascht, so auch diesmal.

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Schon am Eröffnungstag war der Andrang im Filmforum groß. Bevor sich der Vorhang für den Eröffnungsfilm „The happiest man in the world“ öffnete, gab’s fast eine Stunde lang recht unterhaltsame und informative Vorträge mit anschließender Fragestunde. Was zu einer Geduldsprobe hätte ausarten können, wurde zu einem sehr lebendigen Festivalauftakt. Und ich fühlte mich für einen Moment in meine Zeit als Filmstudent zurückversetzt, the happiest man that evening. Klasse!

Fürs leibliche Wohl war gesorgt, dank der Gastronomie „Kurz vorm Kino“. So gab’s in der Pause zwischen den Filmblöcken z. B. Kaffee und Kuchen. Alle waren gut gelaunt und mich erinnerte die ganze Veranstaltung mit ihrer herzlichen Atmosphäre an eine große Familienfeier.

Kuratorium

Verantwortlich für die tolle Filmauswahl waren und sind drei Repräsentantinnen des bosnischen Films und Selektorinnen des international bekannten „Sarajevo Film Festival: Elma Tataragić, Melina Alagić und Asja Krsmanović.

Die Preisträger im Hauptwettbewerb

Der Preis „Der beste Film auf dem BiH looks around filmfestival“ geht an den Film „Niska trava“ von David Gašo.

Die Jury schreibt dazu: „Der Film beginnt mit einem harmlosen Kinderspiel, welches sich in eine aufregende und absurd komische Geschichte über einen Sommertag im ruhigen und augenscheinlich idyllischen kroatischen Vorort entwickelt. Durch die weiten Kameraeinstellungen mit wenigen Schnitten, durch das subtile und genaue Spiel aller – der Kinder und der Erwachsenen – Schauspieler, erschafft dieser Film eine Welt voller unerwarteter Wendungen und präzise komponierter humorvoller Momente. Seine Gesellschaftskritik ist subtil, aber stark, sein Humor ist eigenartig und herausragend, seine Charaktere sind bizarr sympathisch.“

Den Preis für die „Beste Regie“ vergeben wir an die Regisseurin Anna Fernandez De Paco für ihren Film “Nisam je stigao voljeti”.

„In der ersten Szene des Films sehen wir die Protagonistin durch verschwommenes Glas.  Genau so wie sie sich selbst, in der Depression, fühlt: verschwommen, mit geschwächten Sinnen. Ruhige und sinnlich komponierte Einstellungen werden von der gelesenen Poesie des Dichters Marko Tomaš begleitet. Die Poesie dient nicht nur dem Ausdruck Markos innerer Kämpfe, sie erzählt uns auch die Geschichte des Liebespaares und dessen Unvermögen glücklich zu sein. Wenn sich das Liebespaar trennt, bleibt die Leere, gefüllt mit Gedichten, die den Wunsch nach einem besseren, weniger einsamen Leben in sich tragen.“

Den Preis der „Special Mention“ verleiht die Jury an den Film „Kasna zima“ (Late Winter) der Regisseurin Jasna Safić.

„In einem Moment dieses Films schafft es der alte, demente Vater, der anscheinend allen nur noch Kopfschmerzen bereitet, nicht seine Schwiegertochter zu erkennen. Er erinnert sich daran, dass auch seine Schwiegertochter Selma heißt, aber an ihr Aussehen schafft er sich nicht zu erinnern. Er ist in seine eigene einsame Welt abgedriftet. Nur ein sanftes Wort und leise Musik können ihn beruhigen und für einen Moment ein zartes und zerbrechliches Band zwischen ihm und seiner Schwiegertochter entstehen lassen. Dieser Film erinnert uns an unsere Vergänglichkeit und wie wichtig die Menschlichkeit und die Empathie gegenüber kranken und dementen Menschen sind, obwohl das manchmal schwierig, anstrengend und vielleicht sogar nicht umsetzbar erscheinen mag.“, so die Jury.

Marketing für Bottrop

Das Festival ist nicht nur ein cineastisches Highlight, sondern auch eine klasse Imagepolitur für Bottrop. Leider hat man hier manchmal das Gefühl, dass dieses hervorragende Filmfest von den Oberen dieser Stadt und möglichen Sponsoren eher etwas stiefmütterlich behandelt wird.

Ich danke den Veranstaltern des Festivals, dem bosnisch-deutschen Verein „Aktion – Leben und Lernen in Bosnien e. V.“, für dieses tolle Event und freue mich schon aufs nächste Jahr.

Weitere Infos: https://www.bih-looksaround-festival.eu/Festivals/bihlaff-2023

Fotos und Text: Udo Schucker