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Herr Blum feiert Geburtstag in der Bodega

Die Tapas-Bar »Bodega« in Bottrop feiert ihr 25-jähriges Jubiläum

Speisen wie König Alfons X. von Kastilien

Ein verführerischer Duft zog Herrn Blums Sinne sofort in seinen Bann. Die würzige Süße von gebratener Paprika vermischte sich mit dem rauchigen Aroma gegrillten Fleisches. Der zarte Duft von Safran und Rosmarin kitzelte die Nase. Aus der Küche wehten Noten von brutzelnden Gambas und dampfender Paella herüber, begleitet vom herzhaften Aroma gerösteter Mandeln und dem süßlichen Duft karamellisierter Zwiebeln. All diese Düfte vereinten sich zu einer sinnlichen Komposition und ließen Leopold Blum zu einen lüsternen Satyr im Garten Eden werden. Frau Witteks Stimme riss ihn aus diesem olfaktorischen Berauschtsein.

Wie im botanischen Garten

Frau Wittek blickte von der Speisekarte auf und ließ ihren Blick durch die Außengastronomie der „Bodega“ schweifen. Alle Tische waren besetzt: „Is‘ echt schön hier, so viel Grün, die Blumen, die Bäumchen und die Lampions. Fast wie im Urlaub. Man vergisst glatt, dass man in der Stadt ist“.
„Sie waren noch nie hier?“, fragte Blum leicht benebelt.
Nö, ich war die letzten Jahre in keinem Restaurant mehr. Mein Alfred war ja zu nix mehr zu bewegen. Hat den lieben langen Tag nur noch vor dem Fernseher gehockt. Traumschiff, Pilcher und so `nen Mist geguckt. Anstatt mit mir mal `ne Traumreise zu machen. Aber man soll ja nix schlechtes über Tote sagen.
„Nur keine Hemmungen“, Frau Wittek. „Letzens war ich auf einer Beerdigung, da wurde nur schlechtes über den Verstorbenen gesagt. Sogar die Trauerrede war schlecht.“
„Na, wenigstens war mein Alfred schön ruhig, hat kaum ein Wort gesagt. Hab seine Urne in einem Waldfriedhof unter einer schattigen Eiche beigesetzt.“
„Sehr stillvoll. `Das Schweigen im Walde´ für den großen Schweiger“, sagte Blum und musste an den Roman von Ludwig Ganghofer denken.

Herr Blum streichelte seine Melone, die auf dem Stuhl neben ihm lag. Der Hut, ein Erbstück seines Urgroßvaters, stammte angeblich von den englischen Hutmachern Thomas und William Bowler. Die Kopfbedeckung passte perfekt zu seinem maßgeschneiderten, schwarzen Anzug. Dazu trug er ein klassisch geschnittenes weißes Hemd von „OLYMP“ und eine schwarze Seidenkrawatte von „Turnbull & Asser“. Mit seiner frappierenden Ähnlichkeit zu Alfred Hitchcock war Leopold Blum eine durchaus auffällige Erscheinung.

Beim Essen wird nicht gesprochen

Blum aß am liebsten allein. Er hasste es regelrecht, beim Essen sprechen zu müssen. Schließlich lautete eine Doktrin in seiner Kindheit: Beim Essen wird nicht geredet. Sein Onkel Heinz, eine unermüdliche Quasselstrippe, war an einer Fischgräte erstickt. Was die Doktrin untermauerte. Doch als seine Nachbarin Frau Wittek anlässlich ihres Geburtstags ihn zum Essen eingeladen hatte, konnte er nicht Nein sagen, schließlich nahm Frau Wittek immer seine Pakete an. Hinzu kam, dass die Tapas-Bar „Bodega“ sein Lieblingsrestaurant in Bottrop war. Blum mochte die vielen kleinen Gerichte, die Fotos an den Wänden, die Einrichtung und vor allem die herzliche und familiäre Atmosphäre.

Frau Wittek zupfte ihr dunkelblaues Kleid zurecht, das ihr zugegebenermaßen gut stand, obwohl die Nähte an einigen Stellen sichtlich unter Spannung standen. Blum überlegte, ob er ihr ein Kompliment über das Kleid machen sollte. Er wollte aber keine falschen Erwartungen wecken und versehentlich in einer Operette mit dem Titel „Die lustige Witwe“ landen. Angela Süselbeck, die Chefin des Hauses, trat an ihren Tisch und nahm Herrn Blum die Entscheidung ab.

Manzanilla La Gitana

„Buenas noches, Señor Blum! Heute ausnahmsweise mal in charmanter Begleitung?“ begrüßte Angela Süselbeck ihre Gäste.
„Äh, ja, darf ich vorstellen, Frau Wittek, meine Nachbarin. Frau Wittek, Frau Angela, die Chefin des Hauses. Sie und ihr Ehemann Manni betreiben die Bodega seit fünf Jahren“, erklärte Herr Blum. „Frau Wittek hat mich heute anlässlich ihres Geburtstags zum Essen eingeladen.“
„Frau Wittek, sehr erfreut, Sie bei uns begrüßen zu dürfen. Und alles Gute zum Geburtstag. Darf ich Ihnen ein Kompliment machen, dieses Kleid steht Ihnen ausgezeichnet.“
„Vielen Dank“, antwortete Frau Wittek sichtlich verlegen.
„Wissen Sie schon, was Sie bestellen möchten?“, fragte Frau Angela.
„Wir brauchen noch fünf Minuten.“
„Und bei den Getränken, wissen da schon, was Sie möchten?“
„Frau Wittek?“
„Äh, vielleicht ein Rotwein? Ach, wählen Sie mal aus, Sie kennen sich da aus.“
„Nun gut, wir bestellen eine Flasche Rioja, eine Flasche Mineralwasser und als Aperitif zwei `Manzanilla La Gitana´, bitte.“
„Eine gute Wahl. Unser Sherry räumt ja regelmäßig alle möglichen Preise ab. Er ist salzig, duftet nach einer frischen Meeresbrise, ist knochentrocken am Gaumen, aber auch elegant, mit Nuss- und Kräuter-Aromen. Vielen Dank, Getränke kommen sofort.“ Frau Angela düste davon.

Die Speisekartenangst

„Nun, Frau Wittek, haben Sie was ausgewählt?“
Frau Wittek schüttelte mit dem Kopf. „Ich kann mich nicht entscheiden. – Darf ich ihnen ein Geständnis machen?“, sagte Frau Wittek und signalisierte, Herr Blum möge doch etwas näher kommen.
„Bitte nicht!“, dachte Blum. Herr Blum hasste Geständnisse. Er empfahl jedem, seine Lebenslügen für sich zu behalten. Schaute man der Wahrheit erst mal ins Gesicht, war meistens Schluss mit lustig. Leopold Blum war auf der Hut, räusperte sich und beugte sich ein Stück über den Tisch. „Na ja, ich …“

Frau Wittek spuckte ihm die Worte einfach ins Gesicht: „Ich hab Speisekartenangst.“

Blum war perplex und wischte sich einen Tropfen Speichel aus dem linken Auge. Wenigstens keine schwere Krankheit oder Depressionen, denn damit konnte Leopold Blum so gar nicht umgehen. Speisekartenangst kannte er von der Generation Z, da kam diese Phobie wohl häufiger vor. Aber Frau Wittek war ja Generation W, wie Wirtschaftswunder. „Wie macht sich das bei Ihnen denn bemerkbar?“, fragte Blum vorsichtig.

Hab Angst, das Falsche zu bestellen, mein Blutdruck steigt, hämmert in meinen Schläfen, meine Stimme versagt, wenn ich eine Bestellung aufgeben soll. Am besten bestellen Sie für mich und bezahlen auch, ich geb‘ Ihnen das Geld.“ Frau Wittek berührte unter dem Tisch Blums Knie und drückte ihm unauffällig einen Umschlag in die Hand. „Da sind 200 Mark, äh, Euro drin. Reicht das?“

Blum nickte. „Ja, so machen wir’s, Frau Wittek. Sie können ganz entspannt genießen.“ Bloß keine Diskussion aufkommen lassen, dachte Blum. Er wollte das Thema schnell vom Tisch haben und bestellen. Frau Wittek entspannte sich. Blums Magen knurrte.

Food-Doping

Gastronom Manni Süselbeck kam an ihren Tisch und begrüßte seine Gäste. Er hatte eine 700-ml-Apothekerflasche mit seinem berühmten „Food-Doping“ in der Hand. Um die Flasche war eine rote Schleife gebunden. „Darf ich vorstellen, das ist Herr Manni, Ehemann von Frau Angela und Chef der Bodega“, sagte Herr Blum.

„Wie ich höre, sind Sie heute zum ersten Mal unser Gast und haben dazu auch noch Geburtstag. Deshalb erlaube ich mir, Ihnen dieses kleine Präsent zu überreichen. Unser exklusives Honig-Senf-Dressing in der praktischen Apothekerflasche.“

Frau Wittek zeigte sich gerührt: „Oh, vielen Dank, Herr Manni.“

„Die Bodega feiert dieses Jahr übrigens auch Geburtstag, ihr 25-jähriges Bestehen. Angela und ich haben das Restaurant vor fünf Jahren übernommen.“

Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber

Leopold Blum konnte sich noch sehr gut an die Eröffnung vor 25 Jahren erinnern. Schorsch, der heutige Wirt vom „Stadt Café“, stand anfangs hinter der Theke. Wolfgang Türk, der letztes Jahr leider verstorben war, und seine damalige Frau Christine hatten das spanische Restaurant seinerzeit eröffnet. Blum musste an diesen Film von Peter Greenaway denken: „Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber“. Der Türk war schon irgendwie eine tragische Figur, mit seiner Chronik des Scheiterns, sinnierte Blum. Nachdem die Fronten geklärt waren, hatte Christine die Bodega bis Mai 2019 allein erfolgreich weitergeführt. Im Juni 2019 hatte dann das bekannte Gastronomenpaar Angela & Manni Süselbeck die Tapas-Bar übernommen und mit ihrem neuen Konzept weit über die Stadtgrenzen bekannt gemacht. Die Bodega war nun der „Spanier“ in der Region.

„Was bedeutet eigentlich Tapas, Herr Manni?“
„La Tapa… der Deckel, kommt von ‚tapar‘ und bedeutet zudecken. Im Volksmund wird der Begriff ‚Tapa‘ auch frei mit ‚Häppchen‘ übersetzt, da es sich um kleine Portionen handelt. Der Ursprung der Tapas liegt in Andalusien. Wir verwenden aber Rezepte aus allen spanischen Regionen, vom Baskenland bis zu den Kanarischen Inseln. Und verfeinern diese auch schon mal nach eigenem Gusto“, erklärte Herr Manni.

Frau Angela brachte den Aperitif: „Der geht aufs Haus. Salud!“

„Mhm, leckeres Likörchen“, sagte Frau Wittek, die das langstielige Sherry-Glas in einem Zug leerte.
„Nicht zu trocken?“, fragte Blum.
„Nö. Darf ich ein Foto von Ihnen machen?“, fragte Frau Wittek die Süselbecks, die auch sogleich ihre Foto-Pose einnahmen. Frau Wittek schoss ihr Foto, und ein anderer Gast nutzte die Gelegenheit und schoss gleich eins hinterher.

Na, das kann ja heiter werden, dachte Blum und fragte sich, ob er vielleicht doch nur Mineralwasser hätte bestellen sollen.

Restaurant Bodega Tapas-Bar
Gladbecker Straße 31
46236 Bottrop

Tel.: 02041 685915

Website Restaurant: https://bodega-bottrop.de/

Shop Mannis Food-Dopping: https://www.food-doping.de/

Udo Schucker

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