Die Schönheit der Schmerzen
Food für Finisher
Ihr plant ein Rennen oder gar einen Triathlon? Erst mit dem richtigen Sprit läuft Euer Motor auf Volldampf. Hier kommen die Power Player unter den Lebensmitteln, die Euch vor, während und nach Wettkämpfen aufbauen, damit weder Euer Magen durchdreht noch Rückstände durch Hungerrast riskiert werden. Reach your Goals!
Stichtag 7. Mai 2022 in St. George, USA: Millionen von Triathlon-Fans spekulieren dann wieder im Live-Stream, wer sich wohl diesmal als „eiserner Mann“ qualifiziert. Es ist die erste Ironman-WM, die nicht auf Hawaii ausgetragen wird. Doch der Weg zum Sieg ist in Utah ist nicht weniger dornig als vormals die Krone von Kona. Dort, im Glutofen von Big Island, wie geschaffen für große Dramen, lernten Sportler zu leiden – und vor allem: ihren Körper schon vor der Race bestens für den bevorstehenden Höllenritt durchs Paradies zu stählen. Fakt ist: Wer sich für das härteste Rennen der Welt drillt, für den wird Ernährung zur Religion. Auf dem Altar der Fitness ist keine Entbehrung zu groß, jeder noch so kleine Trainings-Baustein essentiell.
Zwischen Schmerz & Euphorie
Der Feind lauerte bisher im Lavafeld: Dort traf der Ironman-Debütant auf seinen gefährlichsten Gegner – sich selbst. Die innere Stimme, welche ihm angesichts knüppeldicker Herausforderungen lautlos zuraunt: „Gib auf!“ Aufgeben ist bis heute keine Option: Auch dieses Jahr, in Utah, U.S.A. will jeder zu den Finishern gehören, alle wollen gewinnen – selbst wenn die Schuhsohlen zu glühen beginnen; kräftezehrendes Schwimmen im Open-Water-Wettkampf bevorsteht und 180 km Einsamkeit auf dem Rennrad ausgehalten werden müssen. Auf dieses Abenteuer will jeder vorbereitet sein, möglichst perfekt. Zu schön ist der Traum, irgendwann einmal den eigenen Namen ganz oben in der Ergebnisliste zu lesen oder gar den Siegerkranz aufgesetzt zu bekommen. Wetter-Unbilden, Gegenwind, hohe Luftfeuchtigkeit und andere Gefahren für die Athleten und ihre Renntaktik können diesem Ehrgeiz nichts anhaben. Falsche Ernährung jedoch kann das Vorhaben von Grund auf sabotieren. Aber wie muss das Menü eines Siegers beschaffen sein? Untersuchungen zeigen, dass eine gute Kohlenhydrat-Auflade-Strategie dazugehört.
Fresszellen mit „Killer“-Gen
Sportmediziner sind sich einig: Kohlenhydrate nehmen eine herausragende Funktion im Energiestoffwechsel eines Leistungssportlers ein. Ihre Zufuhr gewährleistet nicht nur langfristig bessere Form. Auch das Immunsystem wird von ihrer Verfügbarkeit positiv beeinflusst. So ist die gesunde Aggressivität der „Fress-“ oder „Killerzellen“ abhängig von der Menge der zur Verfügung stehenden Glukose. Isst ein Sportler vor dem Wettkampf zu wenig Pasta, Brot oder andere Carbs, wird zu viel vom Stresshormon Kortisol produziert. Das wiederum schwächt Abwehr, Konzentration und Kampfgeist. Trotzdem raten Experten von einer einseitigen Kohlenhydrat-Mast ab, wie sie viele Athleten vor dem Rennen betreiben. Eine Aufnahme von mehr als 70 Prozent kann nämlich dazu führen, dass andere wichtige Nahrungsinhaltsstoffe aus protein- und fettreichen Lebensmitteln in zu geringer Menge absorbiert werden.
Stählerne Kondition: Goal-Getter auf Hawaii
Ach du dicke Nudel – ist das etwa das Aus für die lustvollen Spaghetti-Orgien, denen Sportler am Vorabend gern im Verein frönen? Erklärtes Ziel war doch bisher exzessives „Carbo Loading“ für den anstehenden Wettkampf. Hier geben Experten teilweise Entwarnung: Während und unmittelbar nach den Trainingsbelastungen ist eine ausreichende Zufuhr von Kohlenhydraten auch nach neuesten Erkenntnissen nach wie vor essentiell. Aber auch Proteine und Fette sind unverzichtbare Nahrungsbestandteile und enthalten Ballaststoffe, die ebenso nachhaltig sättigen. Sie transportieren fettlösliche Vitamine, produzieren Hormone und stärken die Zellmembranen. So liefert die Aminosäure Glutamin Energie und kontrolliert die Aktivität unserer Fresszellen. Lebensmittel wie Milch, Vollkorn, Puten- und Hühnerbrust oder Hühnerei heben den Glutaminspiegel nach einer Ausdauerbelastung. Blutzuckerschwankungen und ständige Insulinausschüttungen werden vermieden, da Heißhungerattacken ausbleiben, auch eine Reizung der Bauchspeicheldrüse: Je höher der glykämische Index durch Kohlenhydrate schießt, desto steiler und weiter steigt der Blutzuckerspiegel an, schlimmstenfalls droht die Zuckerkrankheit Diabetes mellitus.
Die Menüs der Marathon-Maniacs
Die deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt deshalb Sportfans komplexe Kohlenhydrate in Verbindung mit Ballaststoffen wie sie in Vollkornprodukten, Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten und Kartoffeln vorkommen. Zwar kann der Stoffwechsel von sportlich aktiven Menschen Kohlenhydrate besser vertragen und speichern. Ziel eines regelmäßigen Ausdauer-Trainings ist es aber auch, den Fettstoffwechsel zu trainieren, um während der Belastung die limitierten Kohlenhydratreserven, die nach ca. 90 Minuten zur Neige gehen, zu schonen und mehr Energie aus Fett zu beziehen. Als Triathlet ist man daher gut beraten, auf ein harmonisches Zusammenspiel zu achten, sich zum Beispiel während belastungsarmer Zeiten zur Unterstützung des Körperfettabbaus eiweißreich zu ernähren. Auf ein kohlenhydratreiches Frühstück folgt dann ein proteinreiches Mittagessen (z. B. Steak mit Gemüsebeilage) und ein eher reduziertes Abendbrot. Sobald Umfang und Intensität des Trainings steigen, erhöht sich der Anteil der „Carbs“ wieder.
Vitamine & Co. – eat like a Champion!
Sport ist Mord, behaupten Bewegungsmuffel gern und etwas ist dran: Durch den dramatisch erhöhten Sauerstoffumsatz werden vermehrt reaktive Sauerstoffmetabolite gebildet, welche sich negativ auf Belastbarkeit und Antrieb auswirken. Schon eine wenig abwechslungsreiche Ernährung kann den Immunstatus beeinträchtigen, deshalb ist es wichtig, ein ausbalanciertes Ess- und Trinkverhalten zu praktizieren. Wichtige Substanzen wie Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente sollten dabei eher in Form von Lebensmitteln wie Kartoffeln, Paprika, Karotten oder Spinat zugeführt werden. So verlieren sie nach neuesten Erkenntnissen ihre positiven Eigenschaften, wenn zu viele Zusatzpräparate oder Nahrungsergänzungsmittel konsumiert werden: Bei Überdosierung droht Vergiftung mit Langzeitfolgen.
„Qualität kommt von Qual“
Ins Radtrikot gestopft: jede Menge Kalorien, darunter etliche Energieriegel, teils mit Salz oder Kakao, ein paar Proteinriegel. Dann beginnt das Muskeln und Nerven zerfetzende Training. Denn auch nach dem Radtraining ist für Triathleten noch lange nicht Schicht: Wenig später sind sie meistens schon im Schwimmbad und springen ins Chlorwasser. 4500 Meter stehen auf dem Plan. Anschließend wird schnell ein Espresso gekippt und dann rein in die Laufschuhe: dreißig Minuten gejoggt, und sei es durch die abendlich erleuchtete Stadt. Dabei erweist sich, wie lang der Schritt beim Laufen gezogen werden kann, ohne die Oberschenkel zu zerfetzen. Was für viele masochistisch klingt, ist für Hochleistungssportler Alltag. Ein häufig kursierender Spruch: „Qualität kommt von Qual.“ Und umgekehrt …
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